Stanleyville

Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer. Der Kongo, das Land im herzen Afrikas, groß wie Westeuropa, ist seit mehr als einem halben Jahrhunder von nicht endendem Elend beherrscht. Die Welt hat ihre Aufmerksamkeit längst abgewendet. Nun ist der Preis dafür zu zahlen

Das Jahr 1964. In dem von Belgien unabhängig gewordenen Kongo tobt ein Bürgerkrieg. Zauberer, die Unverwundbarkeit versprechen, führen die Rebellen an. Menschen werden massakriert, tausende als Geiseln verschleppt.

Mehr als drei Monate wird die kleine Kim Lacquemont in einer Stadt in der Mitte des endlosen Regenwaldes mit ihrer Familie in einem Keller gefangen gehalten. Sie überlebt, scheinbar unter dem Schutz einer hölzernen Maske, dem Abbild eines entsetzlichen dämonischen Mischwesens aus Mensch und Insekt.

Die Gegenwart: Dutzende Exemplare der glecihen Maske tauchen in einem stillgelegten Parkhaus im Stadtzentrum von Brüssel auf. Täglich verschwinden Kinder spurlos, die Zahl wächst rasant, ein Ende ist nicht abzusehen. Die Polizei steht vor einem Rätsel, manche sprechen gar von einem Krieg.

Kim ist mittlerweile Ärztin. Auf der verzweifelten Suche nach ihrer verschwundenen siebzehnjährigen Nichte ist sie gezwungen, an den Ort zurückzukehren, an den sie ihr Leben lang nicht denken konnte, ohn das Bewusstsein zu verlieren – zurück in den Kongo, zurück in die Erinnerungen an das Jahr 1964, zurück nach Stanleyville.

Richard Hayer
»Stanleyville«
Roman, Mainz 2013
ca. 400 S., gebunden, inklusive eBook
ISBN 978-3-95518-012-6

Leseprobe

Schauplätze

Kongo

Der Fluss, der Wald, das ganze weite Land voll pulsierenden Lebens war wie eine große Leere. Selbst der glitzernde Sonnenschein enthüllte nichts Fassliches.

Dinge erschienen und verschwanden zusammenhanglos und ziellos vor ihren augen
Joseph Conrad, „Ein Vorposten des Fortschritts“

Stanleyville

„Sie haben sich einen besonderen Ort dafür ausgesucht das Licht der Welt zu erblicken – das Herz der Finsternis, der fluchbeladene Handelsvorposten des Herrn Kurtz, das Zentrum der in den Urwald verpflanzten belgischen Zivilisation, in dem Audrey Hepburn als Ordensschwester durch ein Hospital schwebt und die in unverstandenen Ruinen mit billigem Trödel handelnde Kultur des Überlebens an der Biegung des großen Flusses, von der V.S. Naipaul berichtet.

Es ist alles derselbe Ort: innere Station, Stanleyville, Kisangani, Tropische Hölle, feuchtheißes Utopia, träge dahinströmende Wehmut.

Brüssel

Unter ihnen erstreckte sich die Stadt im sommerlichen Dunst wie eine Ansammlung von Schneckenhäusern, die sich zum Schutz aneinandergeschmiegt haben. Eine Wüste blaugrauer Blöcke, die den Eindruck erweckte, Zivilisation bestehe in der Verbreitung von Stein. Das halbe Blickfeld wurde von der Kuppel des Justizpalastes eingenommen, einer glänzenden Sonne mit Streifenmustern im Jugendstil.

Georges goss Wasser in Kims Glas, das sich mit einer Tauschicht überzog.

»Das größte Gebäude in der Welt des neunzehnten Jahrhunders.« Er prostete dem Gebäude zu und trank von seinem Wasser. »Welch ein Aufwand, der Welt die neue Identität des jungen belgischen Staates zu demonstrieren.«

Rezensionen

[…] mit „Stanleyville“ entführt der 1947 auf einer Insel in der Ostsee geborene Richard Hayer den Leser nicht nur in eine fremde und exotische Welt, sondern stellt unter der Oberfläche eines spannenden Thriller-Plots auch Fragen nach Schuld und Verantwortung.

FAZ, 5. April 2014, »Afrikanische Spiele« von Markus Huber
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Hayer […] würzt sein Dschungelbuch mit Schamanismus, mit Drogen, Gift und Gegengift, mit Kindersoldaten, auch mit dem scheinbar normalen Alltagsleben in Brüssel heute.

Die Welt, 30. November 2002, »Die Rebellion der Simba kehrt zurück« von Ulli Kulke
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